Zeitreise mit Besichtigung der Arbeiterklasse

Ich war nen Tag offline, kommt selten genug vor. Mal nen Job als Tontechniker eingeschoben, irgendwo muss auch ein noch so leidenschaftlicher Blogger die Miete herkriegen. Ich erzähl jetzt aber nichts über Kilohertz und Speak-On-Verbinder, sondern über den Gegenstand der Veranstaltung:

Eine Betriebsratsversammlung. Mitarbeiter eines grossen Telekomunternehmen und deren Gewerkschaftsvertreter. Und weil es dort mein Job ist, dafür zu sorgen, dass anwesende Völker die Signale auch hören, muss ich zwangsläufig den stundenlangen Sprechtext mitverfolgen. Naja, was tut man nicht alles für Geld.

Dabei fiel mir natürlich besonders der etwa ein Jahrhundert umfassende Spalt zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. Obwohl bei der Diskussion zu Themen der Arbeitswelt auch schon mal böse Wörter fielen, sowas wie „Kapitalismus“ und „Klassenkampf“, blieb das Aggressionslevel deutlich unter dem üblicher Betriebsausflüge.

Meine langgehegte Vermutung, Verdi und die anderen Gewerkschaften seien vollauf mit der Verteidigung von Strukturen aus dem 19. Jahrhundert beschäftigt, wurde bestätigt. Mir kam es so vor, als könne diese Klasse von Organisationen nur deshalb weiter existieren, weil sie die Arbeitsrealität des 21sten Jahrhunderts komplett ignorieren.

Selbständige, Praktikanten, Freischaffende, Ein-Euro-Jobber, Zeitarbeiter sind allesamt auf sich selbst gestellt und werden von der Gewerkschaftswelt eher als Störung empfunden. Und nicht als Herausforderung. Schade. Eigentlich braucht unsere Arbeitsgesellschaft Gewerkschaften mindestens so sehr wie im frühkapitalistischen 19. Jahrhundert, aber um diese Aufgabe wahrzunehmen, müssten sich die ehemaligen Arbeitervertretungen komplett reformieren. Und wer bitte will das schon?

(das pic zeigt den italienischen komponisten guiseppe verdi. wegen der namensähnlichkeit bzw for the lulz)

13 Gedanken zu „Zeitreise mit Besichtigung der Arbeiterklasse

  1. Also, diese Not kenne ich nur zu gut!
    Ich habe inzwischen auch eine Vorliebe für Nahrung und Obdach entwickelt.
    Also entschuldige Dich nicht dafür, das Du arbeiten mußtest.
    Das sollte selbstverständlich sein!

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  2. wäre das nnichts für euch???

    SPONSERED by the regierung of the BUNDES REPUBLIK DEUTSCHLAND

    [ „Von Arbeit muss man leben können“ – aber nicht im Deutschen Bundestag
    Arbeiten im Reichstag. Für Lothar Schmidt heißt das in Zahlen: Bei 186 Stunden im Monat und 6,25 € in der Stunde bleiben am Ende 895 € netto. 895 €, ohne die Witwenrente seiner verstorbenen Frau. Die meisten seiner Kollegen haben eine solche zusätzliche Einnahmequelle nicht. MONITOR liegen mehrere Lohnabrechnungen anderer Sicherheitsmitarbeiter im Reichstag vor. Alles Vollzeitstellen. Die Nettolöhne unserer Beispiele: je nach Stundenzahl, zwischen 960 und 930 € im Monat. Wer da auch nur ein Kind hat, fällt schnell unter das Existenzminimum.

    hier gehts fröhlich weiter:

    http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2010/1209/bundestag.php5 ]

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  3. Zeitarbeit ist eigentlich klasse für die Firmen, und ich würde es sogar tun wenn man dafür auch so bezahlt wird wie es angemessen wäre. Nämlich besser als jeder der fest in einer Firma ist. Den der Zeitarbeiter muss sich schnell auf was neues einstellen, kann jederzeit Ort und zeit der Arbeit ändern usw. Ich bin jung und kann das, würde es aber nur tun wenn ich auch dafür mehr bekomme. Aber was bieten die mir für anspruchsvolle Tätigkeiten?

    Also habe von 7,20 die stunde ohne extras bis 9,70€ pro stunde plus 20cent pro kilometer einfache strecke alles mögliche geboten bekommen. Na da bleibe ich lieber bei mir in der Firma mache jedentag den selben Quatsch höre musi und Relaxe Verdiene aber aktuell min. 13,66€ pro stunde dazu kommen im mom 10% leistungs zuschlag spät schicht nachtschicht zuschläge Urlaubs und weihnachts geld bonus bei jeder größeren Überstunden sache und wohl nun vorgezogene 2,7% mehr wegen dem neuen tarif der eigentlich erst im Mai oder so beginnt.

    Ganz ehrlich so ist klar das zeitarbeit die sklaverei ist udn dort auch nur idioten arbeiten.

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    1. Bitte? Ja, “klasse” für Firmen die aus schwerkriminelen Wucher-Verbrechern bestehen, die keine drei Meter weit denken!
      Zeitarbeit bedeutet, dass der Mitarbeiter ein beschissenes Leben hat, nur weil sich eine kriminelle Menschenhandelsfirma wie ein Blutegel dazwischengesetzt hat, um mitzuprofitieren!
      Ein beschissenes Leben bedeutet beschissene Arbeitsqualität und katastrophales Betriebsklima.
      Und das bedeutet, dass die Firma auf Dauer den Bach runtergeht, weil sie den Schrottt vor lauter Qualitätsmängeln und Produktionsproblemen nicht mehr verkaufen kann.
      Und zurecht! Denn wer so dumm ist, so kurzfristig zu denken, so wie du, der hat es nicht besser verdient!

      Aber gut, bevor ich nochmal irgendwas anderes mache, als selbstständig für Endkunden zu arbeten, muss schon die Welt untergehen und ich sterben. Also nie.

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    2. Gute Bezahlung für top-flexible Zeitarbeiter gibts schon, nennt sich Unternehmensberater. Da verdienst du nen bißchen mehr, musst allerdings immer eine Krawatte tragen. ;)

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      1. Rofl, diese “Berater “ schöpfen nur enorme Summen für immer die gleichen dämlichen Maßnahmen ab. Verdienen tut das Geld einzig und allein das Unternehmen.

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  4. Leute, wieso seid ihr so blöd, noch für Bonzen und gesichtslose Firmen zu arbeiten??
    Macht euch selbstständig, und dann arbeitet für Endkunden! Lernt verkaufen!

    Oder gründet zumindest einfach selber eine Gewerkschaft/Lobbygruppe/u.s.w. für eure Interessengruppe. Nix hält euch ab!

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    1. Kann ja sein, dass du zu den turbokapitalismus-kompatiblen High Performern gehörst, aber Millionen anderer tun das nicht, und für die brauchen wir eine neue Generation von Gewerkschaften.

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  5. Jepp Zeitarbeit ist doch eigentlich nicht Schlecht firmen bekommen gute leute wenn viel zu tun ist die sie ohne probleme für die leute und sich abgeben sobald weniger zu tun ist. Aber damit es gute Leute sind müsste ein Zeitarbeiter halt auch mindesten 15% mehr verdienen.

    Weiß auch nicht warum der staat firmen mit seinen scheiss leuten geld verdienen lässt, alle die nichts können würde ich vom arbeitsamt als zeitarbeiter vermitteln, und gleichzeitig mit dem verdienst weiter bildung bzw. die leute billig an firmen abgeben die dann belegen dennen grundlagen in gewissen sachen zu vermitteln.

    ZEITARBEIT ist bestimmt nicht das problem die art und weise wie man sie hier in Deutschland aktuell nutz und versteht wohl eher. Den im mom ist das eher eine art Sklaverei die die sich nicht wären werden ausgenutzt und damit geld verdient.

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    1. Kann ich nir beipflichten! ZEITARBEIT = SKLAVEREI (jetzt in Deutschland)

      Billige, meist schlecht oder gar nicht qualifizierte Leute, mit schlechtem oder keinem Schulabschluss, mit der „falschen“ Ausbildung, Entscheidung (also iwie CHINA billigarbeiter V2.0)…. ich sage nicht das mir das gefällt aber gewöhnt euch dran:
      Wer in Deutschland auf dem Boden liegt wird getreten bis zum Schluss!!!

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