Unfreiwillig komisch: Sascha Lobo gegen die Piratenpartei

Sascha_Lobo_in_Berlin

Wie schon vor gut 2 Jahren hörte ich mir gerade ein investigatives BR-Interview an (nichts gegen den BR, der macht immer wieder gute journalistische Arbeit). Damals mit Sven Regener, der mir auf meinen weniger wütenden und durchaus begründeteren Antwortartikel hier im 11k2 über 60.000 Leser und 1000 Kommentare brachte (Danke, Sven, du bist super). Diesmal mit Sascha Lobo, von dem ich mir sonst ja eher keine Interviews anhöre, weil aus meiner Sicht nichts Wesentliches zu sagen hat.

Und seinen Erfolg seiner Angepasstheit an das Brauchtum der bürgerlichen Medien verdankt, welchen er immer wieder das Internet erklärt, mit gelegentlichen Engagements als Werbeträger für Konzerne, über die er eigentlich feuilletoniert (a.k.a. kein guter Journalismus). Nur hat er jetzt zusammen mit Christopher Lauer (eigentlich nett, aber leicht wahnsinnig, zur Zeit aus der Piratenpartei ausgetreten) ein Buch über Aufstieg und Fall der Piraten verfasst und nennt im aktuellen Interview als Hauptgrund für die Entkräftung der Piratenbewegung eben Sven Regeners Hasstirade auf alle, die ihm für seine nur eingeschränkt gegenwartsbezogenen Rockballaden nicht ständig dickes Geld in die Taschen schieben wollen. Weil da eine neue Urheberrechtsdebatte angestossen und damit die eben noch frischwindigen Piraten plötzlich und unerwartet als fiese Raubmordkopierer gebrandmarkt wurden.

Alter. Was für eine Grütze. Nicht dein Ernst? Doch, schon dein Ernst. Sascha sieht das so. Sascha glaubt, die Piraten wären von Anfang an eine Internetpartei gewesen und hätten ihre 2stelligen Umfragewerte verloren, weil Sven Regener unglücklich darüber ist, dass er ungefragt im 21. Jahrhundert leben muss. Doch, das passt natürlich ins pastellbunte Meinungsportfolio eines Multitool-Kolumnisten. Und wen interessieren schon Fakten? Nur der Vollständigkeit halber: „Die Internetpartei“ war von Anfang an ein Etikett der bürgerlichen Medien, und der kollektive Völkermordkopievorwurf gegen die Piraten seit ihrer Gründung ein Ausdruck der Hilflosigkeit in der alten Verlagsindustrie im Angesicht der gigantischen sozialen und wirtschaftlichen Umwälzung, die uns die aktuelle Informationsrevolution nun mal beschert.

In Wirklichkeit (a.k.a. „RL“) war die ursprüngliche zentrale Forderung der Piraten „persönliche Freiheit“ (a.k.a. Bürgerrechte), und einer ihrer zentralen Antriebe die Forderung nach einem gerechteren Urheberrecht. Eines, das die Bedürfnisse von Künstlern und Konsumenten ebenso berücksichtigt wie die von Konzernen (kann man alles in „diesem Internet“ nachlesen). Während unser gemeinsamer Freund Sascha verzweifelt nach Antworten der Piraten auf Fragen des Urheberrechts im 21. Jahrhundert sucht, greift sich der alphabetisierte Teil der Internetnutzer ans obere vordere Gesicht. Kann es sein, dass einer der führenden, nationalen, selbsternannten Internetversteher genau so wenig in der Lage ist, ein öffentlich einsehbares Parteiprogramm zu lesen wie die 5 – 10 % (je nach Blickwinkel) AfD-Wähler, die im Hype-Jahr 2011 in Unkenntnis jeden politischen Programms Piraten als Sonntagswahlpräferenz angaben? Also jene Leute, die dann später wieder kein Programm lesen wollten und sich nun wundern, wo den plötzlich die vielen Nazis in ihrer „eurokritischen“ (a.k.a. ROFL) Partei herkommen?

Interne Anmerkung: Sascha mit der den AfD-Lemmingen gleichzustellen war noch kein Godwin. Nur fast.

Warum die Piraten zur Zeit nicht 12, sondern 2 Prozent bekommen, sollte ansonsten eigentlich jeder wissen, der mit der Funktionsweise der Medien als Werkzeug der Macht vertraut ist. Wenn man als Kleinpartei konsequent für Rechte des Einzelnen und gegen Sonderrechte für Konzerne (CETA, TTIP, TISA) ist, für Grundeinkommen und gegen staatstragende Korruption, für ein Urheberrecht, das Allen nutzt statt geistigen Eigentums für wenige, kriegt man eben in die Fresse. Winziges Problem: Der aktuell viel schärfere Gegenwind härtet die Piraten grade ab (ich merks an mir selber und an meinen Pals), die nächste Kaperfahrt wird also um einiges weniger romantisch, und mehr realpolitisch und knallhart ausfallen (a.k.a. „ihr habt es so gewollt“).

Ich fasse zusammen: Sascha, du bist, wie dein Freund Sven, ebenfalls super, irgendwie. Auf deine Weise.

Damit meine ich: Du verdienst Geld mit geschicktem Anpassen an die aktuelle Zeitströmung in der Zeit, dem Spiegel oder der FAZ – ja, was kann daran falsch sein? Der Erfolg gibt dir dich schliesslich recht? Ich dagegen bin im Herbst 13, also lange nach dem Fall, Untergang oder Implosion der Piratenpartei gewählt worden und staple seither kleine Erfolge im Kampf gegen Handelsvertragswahnsinn, Naturzerstörung und Vergangenheitsseligkeit auf. Während Saschas selbsterklärte Lieblingspartei SPD und ihr plunziger Bundeswirtschaftsminister das alles grade verkacken. Kein Wunder, dass mich niemand mag, geschieht mir ganz recht. Ich fühl mich auch schon voll so am Untergehn, ey. Bin schon halb unter Wasser. Nicht.

Sascha dagegen darf im Radio seine relativ frei erfundenen Ansichten zum besten geben. Das ist auch gut so, schliesslich hat der Bayrische Rundfunk einen öffentlich-rechtlichen Unterhaltungsauftrag. Nur ernst nehmen kann ich so einen selbstverliebten Galliformendarsteller nicht. Ihr könnt euch das ja selber überlegen. Freies Land und so.

pic (Der unfreiwillige Komiker in seinem natürlichen, nur leicht spiessigen Lebesraum) ronniegrob cc by sa

Hier kommt die Gegenmeinung: Tagesspiegel, FAZ Feuilleton, Berliner.

10 Gedanken zu „Unfreiwillig komisch: Sascha Lobo gegen die Piratenpartei

  1. die piraten haben aktuell nur 2 statt 12% weil sie keine ahnung haben wie politik funktioniert. und wenns da nicht bald ein echtes zugpferd gibt werden sie wegen irrelevanz aus der wikipedia entfernt. wenn denen nichtmal der nsa-komplex zu stimmen verhilft, was denn bitte dann? in der popmusik nennt man sowas one-hit-wonder, anders gesagt: der gemeine pirat ist der vanilla ice des parlaments. und kommt mir jetzt nich wieder mit dem gender-dreck, sonst rast ich aus. … btw, ich wähle mittlerweile die partei. da bewirk ich wenigstens was.

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  2. Sicher, die phösen Mainstream-Medien sind wieder mal an allem Schuld, nicht etwa die sich selbst-torpedierenden Amateure, die es cool finden, in Talkshows live zu twittern. *Double Facepalm*

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    1. Nein Arno, nicht die Medien. Die sind nur Mittel zum Zweck, keine eigenständigen Akteure. Johannes Ponader war unbestritten bizarr, aber er war nicht das Problem. Das Problem ist die Vorstellung, Politiker müssten sich so benehmen wie Sigmar Gabriel oder Horst Seehofer.

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        1. tja, genau so ist es und nicht anders. was wäre denn das gesprächsthema wenn mal ein politiker in einem rosaroten anzug daherkommen würde statt einen schwarz oder grau-uniformen 2 oder 3 reiher?

          die hölle wäre los wegen des rosaroten anzugs unter den „bürgern“ (den medien sowieso). und nichts was dieser politiker zum besten geben würde – und sei es die 100% lösung oder definitive formal den weltfrieden herzustellen oder den hunger in der welt für alle zeiten abzuschaffen würde auch nur im ansatz wahrgenommen oder besprochen werden.

          nichts anders würde geschehe als monatelange vllt. jahrelange debatten darüber wie der sich anzieht, wie man überhaupt enstgenommen werden will in einem rosaroten anzug.

          der mann könnte sich im bundestag hinstellen und ein programm kundtun dessen inhalt aufzeigen würde wie man die finanzkrise sofort lösen könnte und das einzige was bei 90+% der bürger, politikerr und medien hängenbleiben würde wäre der rosarote anzug.

          ich will nur mal an die anfänge der grünen (als noch ganz andere leute dabei waren) erinnern. bei den allermeisten „normal-bürgern“ war nie der inhalt wichtig, immer ging es nur um turnschuhe, jesuslatschen, irgendwelche schals, latzhosen und frisuren oder sonstige absolut unwichtige nichtigkeiten.
          sogar die essgewohnheiten (vegitarismus, veganismus, biodynamisch nachhaltige „körnerfresserei“) und (meist nur eventuelle) sexuelle orientierung waren JAHRELANGE gesprächsthemen.

          nur die inhalte (und wenn sie noch so intelligent und im interesse des gesamten volkes waren) waren unwichtig oder wurden alleine nur aufgrund der oben genannten nichtigkeiten abgewertet oder gänzlich negiert.

          erst als die angepassten ARSCHLÖCHER der partei – die sogenannten REALOS – mehrheitlich anfingen in uniformen schwarzen oder grauen 2- und 3-rehern daher zukommen wurden sie ernst(er) genommen.

          und hier zeigt sich das problem par excellence. die bunten, unangepassten, schrägen typen, die unbequemen die auf zum himmelschreiende missstände aufmerksam machten und dagegen abgekämpft haben – die zum wohle aller arbeiten wollten – wurden in der partei mithilfe der „normalbürger-debatten“ lächerlich gemacht, deren arbeit sabotiert und sie selbst immer weiter unterdrückt, sie wurden raus-gedissed, raus geeckelt und manche (besonders empfindliche und zartbesaitete mitmenschen die nicht glauben wollten wie ihnen geschah aber auch nicht aufgeben wollten) bis in den selbstmord getrieben.

          übrig blieben die geldgierigen, teils genauso kriminellen (wie in den anderen parteien) abzocker, zynische kriegstreiber, (arme)-menschen-verachter und den wirtschaftseliten-und-USA-in-den-arsch-kriecher in uniformen schwarzen und grauen 2- und 3-rehern. also diejenigen die alles zum UNWOHLE des volkes tun und zu tun bereit sind hauptsache sie selbst kriegen ihre taschen reichlich gefüllt.

          (und nööööö – eine claudia roth (eine madame medusa im pumuckl-pelz) macht das kraut auch nicht mehr fett)

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  3. Man muss bei ihm ja eins konstatieren: er hat stets größten Wert darauf gelegt, nie Mitglied der Piraten gewesen zu sein. Nie. Bis jetzt, wo die Ich-war-dabei-und-weiß-schon-deshalb-alles-besser-Masche kommt.

    Vermutlich wird er demnächst schweißgebadet im eigenen Lebenslauf den Beraterjob für die SPD entdecken. Die wollten ja auch mal so eine Internetpartei werden.

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