Ja… kann man denn das so stark vereinfacht sagen? Was sind überhaupt Spiesser? Oder Nazis? Und wo fängt Gewalt an? Also, der Reihe nach: Spiesser (oder Spießbürger) ist das alte Schimpfwort für reaktionär empfindende Menschen. Also Leute, die nach folgenden Maximen leben:
Zuhause ist es am schönsten.
Wir sind besser als die anderen.
Die anderen bedrohen uns.
Das haben wir schon immer so.
Das muss so sein.
Im Gegensatz dazu sind die Progressiven oder Liberalen (in der USamerikanischen Bedeutung) oder Demokraten oder Sozialen eher an Grundsätzen interessiert wie:
Die Welt ist gross und aufregend.
Alle Menschen sind gleich.
Allen Leuten soll es gut gehen.
Veränderung ist eine gute Sache.
Einen Scheiss muss man, alles ist freiwillig.
Nazis ist heute ein sehr allgemein verwendetes Wort, aber eigentlich sind das Leute, die gerne Juden vergasen möchten. Oder Schwarze, Roma, Homosexuelle, Künstler Kommunisten, eben alle, die nicht in ihre kleine Welt passen.
Gewalt ist nicht, wenn man irgendwo einen Antifa-Aufkleber dranmacht, um seine Nähe zu den Grundwerten unserer Gesellschaft zu zeigen, oder eine Afd-Anstecknadel trägt, um seine Entfremdung von unserer Verfassung zu zeigen. Sondern wenn man Leute fast oder ganz umbringt.
Also sind Nazis Menschen, die andere fast oder ganz ermorden, wenn diese nicht in ihr konservatives Weltbild passen. Konservativ heisst es aber nur dann, wenn keine davon abweichenden Menschen ermordet werden, sondern nur darauf geachtet wird, dass die reaktionären Werte eingehalten werden.
Natürlich ist das hier sehr stark vereinfacht dargestellt. Aber es zeigt, wo der Übergang zwischen Konservativen und Nazis stattfindet: Da, wo die Bereitschaft zunimmt, die bewahrenden und abgrenzenden Wertvorstellungen auch mit lethaler Gewalt durchzusetzen. Es zeigt auch, dass es für selbsterklärt Konservative kaum möglich ist, die rechtsextremistische Gefahr überhaupt zu erkennen. Weil die Werte ja dieselben sind. Nur die Handlungsoptionen unterscheiden sich. Und es zeigt, warum sich der fortschrittliche Teil der Gesellschaft so schlecht gegen die aktuelle Mordserie der Naziterroristen des NSU und anderer umsturzbereiter Zellen wehren kann: Weil Gewalt gegen Menschen in deren Grundwerten nicht vorkommt, gegen die Grundwerte verstösst.
So, und was machen wir jetzt? Ist jetzt alles verloren? Nein, garnicht, wir müssen nur klarstellen, dass Leute, die Menschen ermorden oder solche Verbrechen vorbereiten oder auch nur gutheissen, eben allesamt Kriminelle sind und entsprechend behandelt werden müssen. Unabhängig von ihrem subjektiven Wertesystem. Ja, richtig, die reaktionären Auffassungen von Teilen unserer Ordungsbehörden haben die heutige, blutige Situation (ebenso wie die damalige, massenmordende) erst möglich gemacht. Aber nachdem unsere Gesellschaft offiziell auf Recht und Freiheit (und Einigkeit, manchmal) gegründet ist, kann man diese Grundlage auch einfordern. Nicht in jeder Situation (zB im Polizeikessel eher nicht), aber bei Diskussionen in der Familie, am Arbeitsplatz, unter Bekannten. Das können wir machen, und das wird etwas verändern. Wir können nämlich auf diesem Weg die Spiesser von den Nazis entfremden. Weil Gewalt ja gegen die Ordnung, die Heimeligkeit, die Sitten verstösst.
Das Bild oben zeigt den Hausmeister Krause, gespielt 1999 bis 2010 von Tom Gerhardt, als Verkörperung des deutschen Spiessertums. Alles für den Dackel.