Was ich mir heute wünsche, Ausgabe 62

Nein, ich wünsche mir heute keinen älteren sowjetischen T-62 medium battle tank, weil ich Militär und Krieg nach wie vor verabscheue. Aber ich wünsche mir, dass die Ukraine von diesen und ähnlichen Typen genügend aufstellen kann, um sich gegen die faschistische Invasion Russlands zu verteidigen. Und möglichst schnell Frieden zurück zu bekommen. Letzteren bitte auch für Kurdistan und (Ohne T-62) für die zerstrittenen Geschwistervölker in Palästina. Und dann noch Gesetze für Solarzellen auf allen Hausdächern (auch Industrie), damit wir die Kohle-, Öl- und Edgaskraftwerke abschalten können, und für Zuschüsse zum öffentlichen Verkehr (im Gegensatz zum motorisierten Individualverkehr). Damit die Erde auch in 20 Jahren noch schön ist. Das ist doch wohl nicht zuviel verlangt? Hallo?

The Fringe: Der Schmutzrand der Galaxis

Prospect war 2018 einer der Handvoll besten SciFi-Filme der letzten Jahre, in einer Liga mit District 9 oder Arrival. Jetzt hat die Indie-Filmcrew um Zeek Earl und Chris Caldwell ein neues Projekt angekündigt, mit einem dreckigen, fiesen Aussenseiter-kosmos am Rand irgendeiner Galaxis, reichlich Hintergrundstory und massiven, modernen Crowdfunding-Plänen: The Fringe. Das Teaser-Video ist schon ne Klasse für sich, ich bin bereits aufgeregt und gespannt. „Help us, Zeek and Chris, you’re our only hope.“ via quietearth

Krause: The Art of Fatigue

Der Bandname klingt nach potentiell schlimmem deutschen Mundart-Rock, die 4 Alben dagegen gar nicht. Wie auch, Krause kommen aus dem Untergrund der griechischen Metropole Athen und legen ein so extremes Noise-Rock-Brett hin, wie man es seit seligen Amphetamine-Reptile-Zeiten nicht mehr gehört hat. Ein Brett, das muss man dazu sagen, das mit einer dicken Schicht Distortion überzogen ist, gesprenkelt mit Pulver, das manche gerne gegen Müdigkeit und Langeweile konsumieren. Musik, die glücklich macht. Hört selber.

Das eigentliche Problem mit Dämonen

Wie aus einem von Ali Karjoo-Ravary, Kulturwissenschaftler und Juniorprofessor für Islamforschung an der Bucknell University in Lewisburg, Pennsylvania wiederveröffentlichten Fachbuch aus dem frühen 20sten Jahrhundert hervorgeht, kommen Dämonen nachts ins Schlafzimmer der Sterblichen geschlichen und lecken an deren Füssen. Ausserdem, so beschreibt der Begleittext, sei es ein Segen, dass Menschen die Dämonen normalerweise gar nicht sehen können, was angesichts der vielen Abbildungen des Buchs durchaus schlüssig wirkt. Diese Dämonengeschichte klingt jetzt zunächst mal lustig, ist aber auch darüber hinaus erwähnenswert, weil der kulturwissenschaftliche Blick ins historische Persien eben viel ungehinderter die Schwachstellen der menschlichen Psyche enthüllt. Heute glauben Menschen dann eher daran, dass die Impfung gegen Covid-19 gefährlicher sei als die Krankheit selbst, dass es schon immer warme und kalte Jahre gegeben hätte (und keine heranrollende Klimakatastrophe) oder dass eine irgendwie zionistische Weltelite die (weisse, christliche) Bevölkerung der Industrieländer durch muslimische Einwanderer ersetzen will. Also Dinge, die bei direktem Anschauen mindestens genauso bizarr wirken wie der oben abgebildete Dämon mit dem Zehenfetisch. via publicdomainreview

So many metal bands, so little time

Viel zu selten finde ich die Musse, stundenlang Musik zu hören. Kein Wunder, dass ich mich dauernd müde fühle. Aber vielleicht liegt das auch an den drei Jobs, die ich late-capitalism-kompatibel jongliere. Heute lohnte sich jedenfalls ein Besuch auf dem grossartigen Metal Injection Blog, das der Welt umfangreiche Listen im Stil von „20 Underground Metal Bands, die du im Februar verpasst hast“ zur Verfügung stellt. Was das Hauptproblem unserer Informationsgesellschaft direkt adressiert: Es ist zuviel. Von allem. Und was alles, was du als Underground Publizist tun kannst, ist filtern, kuratieren. So wie hier im 11k2. Die Cancer Bats dagegen sind eine extrem sympathische und wundervoll unernste Metal Combo mit einem wundervoll unernsten Metal Bandnamen und ebensolchen Videos. Also, weiter mit den anderen Bands:

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CSU, die Grossmutter des Rechtspopulismus

Ja, die Kombination aus Corona, Lieferkettenversagen, russischem Überfall auf die Ukraine und ungebremstem Turbokapitalismus kippt gerade Millionen Bundes-bürger:innen in die Armut. Obdachlosigkeit, nicht mehr dreimal täglich was Vernünftiges essen können, keine kulturelle Teilhabe ausser „Gratisdownloads“ über öffentliches Wlan. Und was schlägt Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, als Lösung vor? Die Rundfunkgebühr für drei Monate aussetzen, und dafür einen Teil des Programms streichen. Welchen, dass solle „Die Politik“ entscheiden. Womit Herr Müller zeigt, dass er nicht nur dreckigen, demokratiefernen Populismus mag (Abschaffen des ÖRR ist eine zentrale Forderung unserer Rechtsaussenparteien), sondern auch gar keine Ahnung hat, wer über das Programm der öffentlich-rechtlichen entscheidet. Nicht „Die Politik“, Herr Müller. Wir sind hier nicht in Russland, Herr Müller. Und wo ist der deutsche Journalistenverband DJV, wenn man ihn braucht? On spot. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall antwortet hier treffend: „Genauso gut kann man auch drei Monate Gratiseinkauf im Supermarkt fordern.“ Oder die Einführung eines garantierten Grundeinkommens von 1200 Euro pro Person und Monat. Das würde auch gehen. FAZ, pic blende12 cc0

Der Vater des Algorithmus

Algorithmen, also eigentlich Beschreibungen von Lösungswegen, sind die Motoren des heutigen Informationszeitalters. Sozusagen. Das Wort Algorithmus stammt vom Namen eines der bedeutendsten Mathematikers unseres Kulturraums, der vor über 1000 Jahren grundlegende Bücher zu Algebra, Arithmetik, Geografie, Astronomie und dem jüdischen Kalender verfasste (ja, bevor westliche Imperien den Palästinakrieg zwischen Juden und Arabern installierten, lebten die beiden Kulturkreise harmonisch zusammen): Muhammad ibn Musa al-Khwarizmi. Der Nachname kommt übrigens von seiner Herkunftsregion Khwarazm in Zentralasien, südlich des Aralsees. Seine Arbeiten schrieb der moslemische Wissenschaftler in Bagdad, als Leiter des Hauses der Weisheit (wir würden das heute Universität nennen). Das Bild oben ist eine sowjetische Briefmarke von 1983, die den angenommenen 1200sten Geburtstag des Mathematikers feierte. Video unten via kottke

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Sugar Daddy als feministische Hymne

Die US-Hiphop-Artistin Qveen Herby schlüpft in diesem Song in die Rolles eines „Sugar Babes“, also einer jungen Frau, die ihre Attraktivitäten für sehr viel Geld an einen einzigen Mann verkauft. Also gleichzeitig eine Form von Prostitution und eine Form weiblicher Selbstbestimmung – schliesslich hat sie in dieser Rolle deutlich mehr Kontrolle über sich selbst als etwa in einer wirtschaftlich begründete Ehe. Diese Selbstbestimmung führt Herby auch im real life durch: Sie veröffentlicht ihre Songs ohne Label oder Verlag, ist also völig independent. Ich denke, so funktionieren role models heute: „the bitches wanna judge me, but i don’t care“.